Ferienordnung und Schuljahresanfang im 19. Jahrhundert
Der Rhythmus eines Schuljahres wurde durch eine Verfügung der Königlichen Regierung, Abteilung des Inneren, aus dem Jahre 1823 geregelt, die durch eine Verfügung aus dem Jahre 1854 aufgehoben wurde. In der zuletzt zitierten Verfügung heißt es: "Der Schluß des Schuljahres fällt auf den ersten Montag im September jedes Jahres; die Ferien beginnen Dienstag darauf; der Unterricht des neuen Schuljahres beginnt nach vier Wochen am Dienstag wieder; Aufnahmeprüfungen und andere Vorbereitungen müssen vor diesem Dienstag vollendet seyn." Da die großen Ferien in den Monaten September und Oktober lagen, nannte man sie Herbstferien. Diese Bezeichnung hielt sich bis weit ins 20. Jahrhundert, obwohl der preußische Unterrichtsminister das Sommersemester bereits im Jahre 1874 verkürzt und den Anfang der großen Ferien in die Mitte des Monats August verlegt hatte. Dem entsprechend begann das Schuljahr 1874/75 bereits am 21. September 1874. Das Lehrerkollegium begrüßte diese Änderung, "weil gewöhnlich die in den Juli und die erste Hälfte des August fallende Sommerhitze bei Schülern sowohl als Lehrern eine Abspannung zur Folge hat, die eine baldige Erholung wünschenswerth macht, und die für die Ferien in Aussicht genommene Zeit mit ihrer meist heiteren und milden, auch für Reisen und Badekuren günstigen Witterung zur Erholung ganz besonders geeignet zu sein scheint."
Die nächsten Ferien gab es zu Weihnachten. Sie sollten am Tag vor dem Weihnachtsfest (24. Dezember) beginnen. Wenn Weihnachten auf einen Montag fiel, dann fand bereits "am vorgehenden Sonnabend", also am 23. Dezember, kein Unterricht mehr statt. Die Ferien dauerten bis zum 3. Januar, "an welchem Tage ... der Unterricht zur regelmäßigen Stunde wieder beginnt". Wenn dieser Tag auf einen Sonntag fiel, begann der Unterricht erst am 4. Januar. Unabhängig davon hatten die Schüler sich bereits am 2. Januar in der Schule einzufinden.
Vor den Osterferien schloß der Unterricht am Dienstag in der Karwoche und begann wieder am Dienstag nach dem Weißen Sonntag ("nach dem Sonntag Quasimodo geniti"). Wo es "herkömmlich" war, durfte die Schule die Schüler noch am Gründonnerstag "zu gemeinsamer kirchlichen Feier" versammeln. Am Dienstag nach Weißen Sonntag hatte der Unterricht unverzüglich zu beginnen. Alle erforderlichen Vorbereitungen mußten vor diesen Dienstag abgeschlossen sein. Danach dauerte das Schuljahr, wie bereits gesagt, bis Anfang September. In diesen langen Monaten gab es nur noch an Pfingsten eine kurze Unterbrechung. Der Samstag vor und der Dienstag nach Pfingsten waren schulfrei. "Am Mittwoch nach dem Fest findet wieder regelmäßiger Unterricht statt", heißt es am Ende des entsprechenden Absatzes. Die Verfügung aus dem Jahre 1823 hatte dagegen die Pfingstferien zehn Tage lang dauern lassen.
Unabhängig von dieser Ferienordnung fiel der Unterricht wie bisher an Sonn- und Feiertagen aus. Darüber hinaus wurde es den katholischen Schulen - und nur ihnen - freigestellt, den Unterricht am Montag und Dienstag nach dem Karnevalssonntag ausfallen zu lassen, ohne eine besondere Genehmigung der Regierung einholen zu müssen. Von dieser Freiheit machte die höhere Stadtschule Andernach alljährlich Gebrauch. Bis 1854 war sogar noch der Karnevalssamstag zusätzlich unterrichtsfrei gewesen. An diesem Tag war künftig wieder Unterricht. Wenn "eine periodische Localfeier" das regelmäßige Ausfallen des Unterrichts an einem weiteren Tag als wünschenswert erscheinen lassen sollte, hatte der Schulleiter "ein für alle Mal" eine entsprechende Genehmigung einzuholen. Eine solche Genehmigung wurde jedoch vom Rektor der höheren Stadtschule, Pfarrer Dr. Rosenbaum, nicht eingeholt.
Das neue Schuljahr begann traditionsgemäß um 8 Uhr morgens mit einer Schulmesse in der Andernacher Pfarrkirche, der Kirche der heutigen Pfarrei Maria Himmelfahrt. Nach der Messe diktierte man den Schülern ihre Stundenpläne ("Lektionspläne"), woran sich das "Verlesen der Schulgesetze" anschloß, "deren Befolgung von dem Direktor den Schülern zur strengen Pflicht gemacht wurde; dabei wurde (sic) besonders Fleiß, Folgsamkeit und Frömmigkeit als Hauptgrundlage eines gedeihlichen Unterrichts hervorgehoben, wovon die Liebe der Lehrer zu ihren Schülern abhänge, Heil und Segen von Gott dem Allmächtigen erfolge, damit Glück und Zufriedenheit für ganze Leben verbunden sei." Danach mußten sich alle Schüler einer Prüfung unterziehen. Die Sextaner des abgelaufenen Schuljahrs mußten eine sogenannte "Ascensionsprüfung" ablegen. Nur wer diese Prüfung bestand, konnte in die Quinta aufsteigen. In den Jahren 1847 und 1849 wurde alle Sextaner ausnahmslos "für fähig befunden" und in die Quinta versetzt. Die Durchfallquote war jedoch in manchen Jahren recht beträchtlich. 1846 wurden nur drei Schüler in die Quinta versetzt, die danach sechs Schüler hatte. 1848 wurden "nur vier Schüler für reif zur Quinta erklärt". Diese vier Schüler bildeten danach die Klasse Quinta des Schuljahrs 1848/49. Im Anschluß an die ehemaligen Sextaner wurden die Jungen geprüft, die sich für die Sexta angemeldet hatten. Bei den neuen Sextanern handelte sich um eine Prüfung, in der die Vorkenntnisse der Neuangemeldeten "im deutschen und lateinischen Lesen, im Rechnen und im Schreiben" überprüft wurden. Dies waren die Vorbereitungen, die am Tage vor Unterrichtsbeginn abgeschlossen sein mußten.
Dr. Wolfgang Fischer