Gerd Schumann:
Liebe Ehemalige und Freunde des Kurfürst-Salentin-Gymnasiums,
die Schülerzahlen an unserer Schule sind auch im vergangenen Jahr gestiegen. Seit August 2007 besuchen ca. 870 Mädchen und Jungen das KSG; erneut haben wir 5 neue Eingangsklassen aufnehmen können. Über diesen Zuspruch freuen wir uns einerseits, andererseits ist er auch das Ergebnis einer allgemeinen Entwicklung.
Immer mehr Eltern melden ihre Kinder am Gymnasium an, obwohl die abgebenden Grundschulen die Empfehlung für eine andere Schulart gegeben haben. Nachdem nun die rheinland-pfälzische Landesregierung die Abschaffung der Hauptschule angekündigt hat, ist mit einem noch stärkeren Zulauf an den Gymnasien zu rechnen. Mit dieser allgemeinen Entwicklung muss sehr sorgsam und differenziert umgegangen werden. Einerseits sollen selbstverständlich auch die Kinder ohne gymnasiale Empfehlung eine faire Chance erhalten, andererseits müssen die Gymnasien auf die ihrer Schulart eigenen Anforderungen achten.
Mit dem generellen Vorziehen der 2. Fremdsprache von der 7. in die 6. Klassenstufe an allen Gymnasien in Rheinland-Pfalz werden die Hürden bereits in der Orientierungsstufe deutlich erhöht. Dieses Vorziehen der 2. Fremdsprache war bisher schon am KSG möglich bzw. vorgegeben. Die Schülerinnen und Schüler, die in der 5. Klasse mit Latein begonnen haben, haben bereits im Folgejahr mit dem Englisch-Unterricht begonnen. Auf Grund der neuen Entwicklung haben wir uns nun für die Übernahme des Modells „Latein plus“ entschieden – ein Angebot, das es in verschiedenen Bundesländern bereits seit einiger Zeit gibt und in Rheinland-Pfalz derzeit an 9 Gymnasien mit einem altsprachlichen Zug erfolgreich eingeführt worden ist. „Latein plus“ verbindet bereits in der Eingangsklasse des Gymnasiums den Spracherwerb von Latein und Englisch mit 5 bzw. 3 Stunden Unterricht pro Woche. Da die meisten Schüler bereits in der Grundschule Englischkenntnisse erworben haben, macht es Sinn, ohne ein- oder gar zweijährige Unterbrechung das Erlernen dieser Fremdsprache fortzuführen. Um einer Überforderung entgegenzuwirken, wird Englisch zunächst nur als Nebenfach eingestuft. Der Vorteil von „Latein plus“ liegt neben der erwähnten Kontinuität auch in einem sinnvollen Nebeneinander von einem eher sprachanalytischen Spracherwerb (Latein) und einer vorwiegend kommunikativ orientierten Vorgehensweise (Englisch). Hinreichend begabte Kinder mit Freude am Sprachenlernen und Interesse an antiker Kultur und Geschichte können mit diesem Angebot besonders gefördert werden.
Neben der Organisation und inhaltlichen Gestaltung von Unterricht darf jedoch die pädagogische Aufgabe von Schule nicht zu kurz kommen. Dies gilt umso mehr, droht jedoch in der derzeitigen Diskussion Bildung zur reinen Konditionierung auf ein Erwerbsleben hin zu verkommen. Begriffe wie „Out-Put-Orientierung“ und „Turbo-Abitur“ stehen stellvertretend für eine Sichtweise von Schule, die Schüler vor allem als personalisierten Rohstoff in den Funktionalismus des Wirtschaftslebens zu stellen scheint. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzuwirken. Unter der Überschrift „Soziales Lernen“ bemühen wir uns um ein Innenleben von Schule, das auf der Basis eines bewusst gestalteten Miteinanders die zu fordernden Leistungen oft erst ermöglicht.
Die im vergangenen Schuljahr beschlossene Schulvereinbarung, deren Wortlaut an anderer Stelle dieser Ausgabe der „Salentiner-Nachrichten“ nachzulesen ist, ist ein Beispiel für eine gelungene Kooperation von Eltern, Schülern und Lehrern. Besondere Erwähnung verdient auch die verdienstvolle Arbeit der Streitschlichter. Bei diesem Projekt versuchen dazu ausgebildete Schülerinnen und Schüler bei persönlichen Konflikten zwischen Mitschülern zu vermitteln. Die schon länger tätige Gruppe der Vertrauensschüler praktiziert auf vorbildliche Weise Gemeinsinn in unserer Schule. Auch der Einsatz für karitative Hilfsprojekte (z. B. Lepra-Hilfe, Unterstützung für Schulen in Peru und Kolumbien) zeugt von Verantwortungsgefühl und großem Engagement. Das dahinter erkennbare Bedürfnis, Schule nicht nur als Ort kognitiver Wissensvermittlung zu verstehen, sondern auch soziale Verantwortung für das nähere und weitere Umfeld zu lernen und zu praktizieren, muss unbedingt wahrgenommen und gefördert werden. Die dafür benötige Zeit ist sinnvoll investiert, wollen wir die Grundlagen für eine möglichst umfassende Bildung schaffen, ohne die unsere Gesellschaft auf Dauer nicht überleben kann.
Gerd Schumann