Gerd Schumann, Vorsitzender der "Salentiner" Andernach
Für das Leben die richtige Haltung geben
Verehrte Anwesende,
der Vorstand unserer Vereinigung „Die Salentiner“ fasste am 12. April 2013 auf Anregung des damaligen Vorsitzenden Dr. Friedrich Görgen den Beschluss , die im Laufe der Jahrzehnte äußerlich unansehnlich gewordenen Gedenktafeln für die in den beiden Weltkriegen gewaltsam ums Leben gekommenen Lehrer und Schüler dieser Schule zu erneuern. Niemand ahnte damals, dass die Umsetzung dieses Beschlusses drei Jahre intensiven Nachdenkens über die äußere und inhaltliche Form des neuen Mahnmals beanspruchen sollte. Schon bald waren sich die an diesem Projekt Beteiligten im Grundsatz darüber einig, dass mit dem ehrenden Gedenken an die Opfer auch ein pädagogischer Auftrag verbunden sein musste. Neben dem Anspruch, eine künstlerisch angemessene Form zu finden, galt es auf die Frage eine Antwort zu finden, wie es gelingen kann, bei der heutigen Schülerschaft Interesse und Verantwortungsgefühl für den Umgang mit der eigenen Geschichte zu wecken. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat es in seiner berühmten Rede vom 8. Mai 1985 aus Anlass des 40. Jahrestages der Beendigung des 2. Weltkriegs so formuliert: „Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten. Wir wollen ihnen helfen, sich auf die geschichtliche Wahrheit nüchtern und ohne Einseitigkeit einzulassen, ohne Flucht in utopische Heilslehren, aber auch ohne moralische überheblichkeit.“
Diese Schule hat sich, wenn auch in unterschiedlicher Form, schon seit langem mit dem Gedenken an die Kriegsopfer aus den eigenen Reihen beschäftigt. Bereits 1931 gab es in der sog. Ehrenhalle des damaligen Stiftsgymnasiums eine Gedenkstätte mit den Namen der im 1. Weltkrieg gefallenen Lehrer und Schüler. In der Tradition der zahlreichen Soldaten- und Veteranenvereine gedachte man der Opfer, die, wie man damals überzeugt war, im Dienste für eine gerechte Sache ihr Leben gelassen hatten. Die nach dem Ende des 1. Weltkriegs schon bald in Umlauf gebrachte und von Historikern seit langem widerlegte sog. Dolchstoßlegende förderte in doppelter Hinsicht eine besondere Form der Heldenverehrung, die uns heute fremd ist.
Nachdem dieses Ehrenmal infolge des Bombenangriffs vom 27. Dezember 1944 auf die Schule verschollen war, beschloss die 1957 gegründete „Vereinigung der ehemaligen Salentiner“ – die Schule trägt nach ihrer Verstaatlichung seit 1952 den heutigen Namen „Kurfürst-Salentin-Gymnasium“ – sich das Gedenken an die in den beiden Weltkriegen gefallenen Lehrer und Schüler zur Aufgabe zu machen und sich um ein Gefallenen-Ehrenmal zu bemühen. Der Bildhauer und Konsalentiner Franz Rumpf gestaltete aus einem Basaltblock eine Pietà, die als neues Ehrenmal in der damaligen Eingangshalle aufgestellt und am 26. Mai 1963 feierlich eingeweiht wurde. Mit dem Verlesen der 200 Namen der in den beiden Weltkriegen ums Leben gekommenen ehemaligen Lehrer und Schüler und dem gemeinsamen Singen des Liedes vom guten Kameraden gedachte man der Toten im Bewusstsein, dass sie nicht nur im Krieg gefallen waren, sondern auch zu Opfern einer menschenverachtenden Ideologie im eigenen Land geworden waren. Viele der bei dieser Gedenkfeier Anwesende standen damals noch aus eigener Betroffenheit unter dem Eindruck leidvoller und schrecklicher Kriegserlebnisse.
1987 wurden wiederum auf Initiative der Ehemaligen-Vereinigung drei große Gedenktafeln mit den Namen und Heimatorten der in den Weltkriegen gewaltsam ums Leben gekommenen ehemaligen Mitglieder der Schulgemeinschaft an der Wand hinter der Pietà angebracht und in einer weiteren Feierstunde am 17. Juli enthüllt. Dr. Görgen, auch damals Vorsitzender der Salentiner-Vereinigung, rief dabei zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Geschichte auf. Ich zitiere: „Wir schulden uns, unseren Kindern und Enkeln alle Kraft, damit niemals mehr in Deutschland Geltungssucht, menschenverachtende Ideologie und Rassenwahn an die Macht kommen.“ – Ende des Zitats.
Eingedenk dieser besonderen Verantwortung kam es – wenn auch erst 14 Jahre später – zur Enthüllung einer weiteren Gedenktafel für die im Dritten Reich von den Nationalsozialisten ermordeten 10 ehemaligen jüdischen Schüler des Stiftsgymnasiums Andernach. Ihre Namen und ihr besonderes Schicksal sollte auch für die öffentlichkeit durch die Verlegung der sog. Stolpersteine vor dem Schulgebäude am 29. November 2011 in mahnender Erinnerung bleiben.
Mit der heutigen Einweihung des bewusst so genannten „Lebendigen Mahnmals“ stehen wir somit in einer Tradition des Gedenkens, die im Laufe der Jahrzehnte eine unterschiedliche Akzentuierung erfahren hat. Darüber hinaus möchten wir Salentiner mit überzeugung die von der Schule selbst übernommene Verpflichtung unterstützen, neben dem Akt der Pietät für die Opfer im Rahmen des Möglichen die eigene Verantwortung für die Gestaltung der Gegenwart und Zukunft zu übernehmen. Es kann also daher nicht um einen Versuch der Vergangenheitsbewältigung gehen, um diesen viel gebrauchten und aus meiner Sicht wenig hilfreichen Begriff zu gebrauchen. Das Geschehene lässt sich nicht ändern oder gar ungeschehen machen. Die Bewältigung der Fragen und Aufgaben der Gegenwart muss im Zentrum des Bemühens stehen – in der Verbindung von Gedenken und Bedenken. Die für die Zukunft geplanten Aktionen der Schüler- und Lehrerschaft in Verbindung mit diesem Mahnmal bieten – so glauben wir - Gewähr dafür, dass diese doppelte Verpflichtung über den heutigen Tag hinaus im Bewusstsein der Schulgemeinschaft bleiben wird und im Sinne Dietrich Bonhoeffers „für das Leben die richtige Haltung geben“ .
Die Salentiner möchten als Mitglied dieser Schulgemeinschaft gerne auch weiterhin Begleiter auf diesem Wege sein.
Reden
- Schulleiterin
Birgit Vogel - Vors. Salentiner
Gerd Schumann - Stellv. Schulleiter
Sven-Erich Czernik - Statssekretär
Clemens Hoch - MdL
Marc Ruland - Foto:
Peter Heinsh