Staatssekretär Clemens Hoch
Die Idee ist wegweisend
Sehr geehrte Abgeordnete des Landtags,
sehr geehrte Frau Vogel,
liebe kommunale Familie,
lieber Herr Schumann,
liebe Salentiner,
Ich erinnere mich noch genau an meine Schulzeit in den 90er Jahren, hier im historischen Altbau und im Neubau. Das Mahnmal stand seit 1962 im alten Eingangsbereich des Gymnasiums. Es fiel uns Schülerinnen und Schülern damals wenig auf. Ja, da war doch was?! Irgendwo so zwischen Musikunterricht und großer Pause. Musste man einmal länger hier warten, warf man vielleicht einen Blick darauf. Doch was bedeuteten diese Namen von Personen, die man persönlich nicht mehr kannte?
Die Idee der Salentiner, diesen Raum und dieses Gedenken neu zu fassen, war nur richtig. über 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bedarf das Erinnern neuer Formen. Gleichzeitig stellte die Neukonzeption die passende Gelegenheit dar, das Gedenken zu erweitern und auch den jüdischen Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung einen angemessenen Raum zu geben.
Auf dieser Glasstele finden Sie nun zusammen: Die uns mahnenden Namen der Opfer von Vertreibung, Verfolgung und Krieg. Sie sind konkret: sie gingen hier zur Schule, sie stammten aus Andernach. Sie stehen für die Schattenseiten des vergangenen Jahrhunderts, das uns am heutigen 9. November so deutlich wird. Sie erinnern uns, wie schnell ein demokratischer Aufbruch abdriften kann, wenn Hass, Ausgrenzung und Gewalt immer mehr um sich greifen.
Kein passenderes Datum hätte man finden können, um heute das neue „Lebendige Mahnmal“ einzuweihen. Die vorbildliche Neukonzeption dokumentiert dieses deutsche Jahrhundert. Die Namen unserer Mitschülerinnen und Mitschüler, der Kolleginnen und Kollegen der Lehrerschaft auf der Stele erinnern uns an das Schrecken von Verfolgung, Gewaltherrschaft und Krieg.
Der 9. November ist der Schicksalstag der Deutschen. An diesem Tag erinnern wir uns an Geschehnisse, die entscheidende Wegmarken Deutschlands in den letzten 100 Jahren waren.
Am 9. November 1918 verzichtet Kaiser Wilhelm II. auf den Thron, die Deutsche Republik wird ausgerufen.
20 Jahre später steht am 9. November 1938 die furchtbare Reichspogromnacht für den Schrecken des Nazi-Terror-Regimes: für Verfolgung, Gewaltherrschaft und, als unvermeidliche Folge der faschistischen Ideologie, den späteren Krieg.
Die Maueröffnung am 9. November 1989 ist der Höhepunkt der friedlichen Revolution in der DDR. Bürgerinnen und Bürger setzen sich trotz Repression für Freiheit und Demokratie ein.
Der 9. November zeichnet die Entwicklungslinie der letzten 100 Jahre deutscher Geschichte nach. Eine Geschichte zwischen Gewalt und Tod, Hoffnung und Demokratie.
In einem vorbildlichen Prozess haben sich Schülerinnen und Schüler unter der Leitung der beiden Lehrerinnen Annika Lesse und Dr. Sabine Bermel zusammen mit dem Künstler Ole Hill um die Umgestaltung dieses Mahnmals gekümmert. Die Idee, ein lebendiges Mahnmal zu schaffen, ist wegweisend.
Die Namen auf der Glasstele sollen nicht solitär bleiben. Sie sollen eingerahmt werden durch eine jährliche Ergänzung des Mahnmals, anfertigt durch eine Projektarbeit einer neuen Klasse, die sich jedes Jahr dieser Aufgabe neu annimmt. Damit bleibt das Erinnern lebendig in der Schule und findet stets immer wieder neue Botschafterinnen und Botschafter.
Mein herzlicher Dank gilt daher den Aktiven, die sich mit der intensiven Beschäftigung um ein zeitgemäßes Mahnmal verdient gemacht haben. Den bereits erwähnten betreuenden Fachlehrerinnen, Frau Leese und Frau Dr. Bermel, Herrn Hill, der die Sicht des Kunstpraktikers einbrachte, und in erster Linie den Schülerinnen und Schülern, die sich mit der Geschichte dieser Schule und der deutschen Vergangenheit ausdauernd und nachhaltig auseinander gesetzt haben, aber auch den Blick nach vorn richteten: Denn Erinnern ist auch immer ein Auftrag an uns, Lehren zu ziehen, Haltung einzunehmen und zu handeln, für Demokratie und Freiheit einzutreten.
Die Schülerinnen und Schüler stellen sich und uns somit mit dem neuen Mahnmal auch die Frage „Was können wir tun?“
Das Kurfürst Salentin Gymnasium bietet den Schülerinnen und Schülern eine Vielzahl von möglichen Antworten auf diese essentielle Frage.
So ist das Gymnasium eine „Schule ohne Rassismus, eine Schule mit Courage“. Damit hat sich die Schule einem großen Netzwerk angeschlossen, das sich zum Ziel gesetzt hat, bürgerschaftliches Engagement in teilnehmenden Schulen zu fördern und ein demokratisches Miteinander ohne Raum für Diskriminierung aller Art zu schaffen. Ich freue mich, Pate dieser großartigen Aktion zu sein.
Auch das Soziale Lernen wird hier groß geschrieben. Das Gymnasium bietet regelmäßig in Kooperation mit der örtlichen Polizei Kurse in den 7. Klassen zur Gewaltprävention an.
Engagierte Schülerinnen und Schüler sind als Streitschlichter und Mediatoren ausgebildet. Sie können früh eingreifen und Konflikte auf Augenhöhe ausräumen.
Vertrauensschülerinnen und -schüler aus den höheren Klassen begleiten die Jüngeren und helfen ihnen, sich am neuen großen Gymnasium zurecht zu finden, sind Ansprechpartner und großer Bruder oder große Schwester.
Ausgebildete Schülerinnen und Schüler bieten ihren Mitschülerinnen und Mitschülern als Medienscouts Hilfen im Umgang mit dem Internet und den neuen Medien. Jugendschutz und Online-Mobbing sind da auch wichtige Themen.
Mit der Einrichtung einer Mobbing-Interventions-Stelle im Lehrerkollegium wurde auch diesem bedauerlicherweise zunehmenden Thema Rechnung getragen.
Eintreten für ein soziales Miteinander, gegen Ausgrenzung, Intoleranz und Hass ist somit zentrales Anliegen des Kurfürst Salentin Gymnasiums. Gern hat das Ministerium für Bildung daher auch das Projekt „Lebendiges Mahnmal“ einen Zuschuss von 1.300 Euro bewilligt, um die wertvolle Arbeit vor Ort zu unterstützen.
Das „Lebendige Mahnmal“ fordert nicht nur die Schule und die Schülerinnen und Schüler, es fordert auch uns: Salentiner, Gäste des Gymnasiums, die Andernacherinnen und Andernacher, sich mit unserer Vergangenheit auseinzusetzen, Leid der Verstorbenen und Opfer nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und stets immer wieder für Demokratie und Freiheit einzutreten.
Und das sage ich bewusst in einer Zeit, wo der politische und gesellschaftliche Umgangston wieder rauer wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Angst, Wut und Hass wieder hochstacheln.
Politik besteht natürlicherweise aus Kontroversen und widerstrebenden Meinungen. Doch zur Demokratie gehört es, dass wir auf unseren Grundwerten aufbauen, fair miteinander umgehen und diskutieren, eine Form und einen Umgang bewahren, der den anderen als gleichwertigen Menschen akzeptziert – unabhängig von seiner Herkunft, Sexualität, seines Geschlechts und Alters, mit oder ohne Behinderung.
Bezeichnungen wie „Volksverräter“ passen nicht in unsere Zeit. Dem müssen wir entschieden und überparteilich entgegen treten. Wehret den Anfängen!
Wir Demokratinnen und Demokraten müssen daher schon im Kleinen Zeichen setzen: Nein zu Ausgrenzung, nein zu Mobbing, nein zur Diskriminierung.
Ich finde, das Kurfürst Salentin Gymnasium setzt hier den richtigen, vorbildlichen Schwerpunkt.
Herzlichen Dank!
Reden
- Schulleiterin
Birgit Vogel - Vors. Salentiner
Gerd Schumann - Stellv. Schulleiter
Sven-Erich Czernik - Statssekretär
Clemens Hoch - MdL
Marc Ruland - Foto:
Sven-Erich Czernik