KSG Andernach


Dieter von Wyhl:
Erinnerungen an die Zerstörung unserer Schule 1944



Am 27. Dezember 2004 war der sechzigste Jahrestag der schlimmsten Bombardierung Andernachs durch alliierte Luftwaffenverbände. Die Rhein-Zeitung berichtete an diesem Tag auch über die Zerstörung des damaligen Stiftsgymnasiums, dem heutigen Kurfürst-Salentin-Gymnasium, in dem ich 1942 geboren wurde,

Im Dezember 1944 war ich zweieinhalb Jahre alt und lebte mit meiner Mutter - der Vater war Soldat - bei meinen Großeltern in der Hausmeisterwohnung im Dachgeschoß des Stiftsgymnasiums, da unsere Wohnung in der Karlstraße 10 durch frühere Luftangriffe, die wahrscheinlich dem Bahnhof galten, beschädigt war. Wenn man so will, bin ich also - was die Bombardierung des Gymnasiums betrifft - ein Zeit- und Augenzeuge.
Abiturientia 1954
Dieses Foto wurde am 27. Dezember 1944 wenige Minuten nach der Beendigung des Lufzangriffs von unserem Konsalentiner Heinz-Herrmann Schüdde, damals Schüler des Stiftsgymnasiums, vom Balkon seines Vaterhauses Breite Straße 98 aufgenommen. Man sieht die Front der Hans-Schemm-Schule (nach 1945 Volksschule St. Thomas), hinter die Rauchwolken des brennenden Stiftsgymnasiums auftauchen.


Obwohl ich noch sehr klein war, kann ich mich bruchstückhaft an einige Details der Ereignisse vom 27. Dezember 1944 erinnern und auch auf die Erzählungen meiner Familie zurückgreifen.

Als die Bombardierung gegen Mittag begann, wurde ich von meiner Mutter, den Großeltern und einer Bekannten über das endlose Treppenhaus in den Keller gebracht, wobei man mir die Augen zuhielt; denn durch den Luftdruck und die Erschütterungen der ringsherum fallenden Bomben war das Treppenhaus bereits völlig in Staub gehüllt.

Das nächste, an das ich mich erinnern kann, waren die Verwundeten, die nach und nach in die Keller kamen. Ihre Köpfe waren teilweise völlig mit Mull umwickelt, bei manchen drang das Blut immer noch durch den Verband hindurch. Ich soll damals gesagt haben: "Mama, die seh'n ja wie Schneemänner aus."

Wahrscheinlich weil das Schulgebäude brannte (Phosphorbomben), müssen später wohl alle Personen, die sich in dem Keller des Stiftsgymnasiums eingefunden hatten, den Luftschutzkeller unter dem Schulhof der damaligen Hans-Schemm-Schule (nach dem Krieg Volksschule St. Thomas) aufgesucht haben. Dieser Bunker war da, wo heute die Einfahrt zur Tiefgarage und deren vorderer Teil sich befinden.

Als wir schließlich den Bunker verlassen und die Salentinstraße hinaufgehen konnten, sah ich das Dach des Gymnasiums brennen. Aus Erzählungen meiner Mutter, meiner Großeltern und einer Tante erfuhr ich später, was alles passiert war und daß es viele Tote gegeben hatte (vgl. dazu den Bericht in den Salentiner-Nachrichten Nr. 36/1995).

Am Nachmittag des 27. Dezember wurden wir von einem Bruder meiner Großmutter mit dessen LKW in dessen Haus nach Niedermendig gebracht. Da sich das Haus in nächster Nachbarschaft zum Flugplatz befand, welcher ebenfalls häufigen Luftangriffen ausgesetzt war, kamen wir eigentlich vom Regen in die Traufe; das bedeutete für uns immer wieder das Aufsuchen von Luftschutzkellern bzw. Fußmärsche in die relativ sicheren Basaltfelsenkeller in und um Niedermendig.

Nach sechs Wochen konnten wir schließlich nach Andernach zurückkehren, wo wir in dem Haus Karlstraße 24 das Eintreffen der Amerikaner und bald darauf das Kriegsende erlebten.

Das zerstörte Stiftsgymnasium, die ausgebrannte Turnhalle, die den heutigen hinteren Schulhof in zwei Hälften teilte, und das bis auf die Grundmauern vernichtete Äbtissinnenhaus (an dessen Stelle heute die St.-Albert-Kirche steht) dienten uns Kindern in der Nachkriegszeit als ideale Spielplätze, wobei wir uns nicht der Gefahren bewußt waren, denen wir uns aussetzten, wenn wir beispielsweise die Treppe, der an mehreren Stellen ein paar Stufen fehlten, hinaufkletterten, um in etwa sechs bis acht Metern Höhe über die stehengebliebenen Außenmauern des zerstörten Schulgebäudes zu laufen.

Zum Glück ist - soweit ich weiß - nie etwas passiert.